In
Hautwunden entsteht elektrischer Strom, der aus der unmittelbaren
Umgebung der Verletzungsstelle Zellen anzieht, die zur Wundheilung
beitragen. Verantwortlich dafür, dass sich diese Zellen Richtung Wunde
bewegen, sind zwei Gene, wie ein internationales Wissenschaftlerteam
unter Beteiligung österreichischer Molekularbiologen berichtet.
Elektrische
Ströme, die die Wundheilung beschleunigen sollen, zählen seit langem
zum Repertoire alternativer Behandlungsmethoden. Wie genau Elektrizität
und die Heilung von Wunden biologisch zusammenhängen könnten, war
bislang jedoch unbekannt. Nun konnte erstmals molekularbiologisch
nachgewiesen werden, welche Bedeutung Strom für die Wundheilung hat.
Ein
internationales Forscherteam, an dem auch Wissenschaftler des Instituts
für Molekulare Biotechnologie der Österreichschen Akademie der
Wissenschaften (IMBA) beteiligt sind, hat seine Forschungsergebnisse in
der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Nature" veröffentlicht.
Elektrizität in Wunden beschleunigt Heilung
Dass Hautwunden unter Strom stehen, ist schon lange bekannt. Vor rund 160 Jahren hat sich der deutsche Physiologe Emil Du-Bois
Reymond in den Finger geschnitten, mit einem Strommesser bewiesen, dass
in seiner frischen Wunde Strom fließt, - und so das Forschungsgebiet
der Elektrophysiologie etabliert.
Die elektrische Spannung in Wunden
wirkt auf das Umfeld. Aus ein bis zwei Millimeter Entfernung von der
verletzten Stelle werden dadurch Zellen angezogen, die zur Wundheilung
beitragen, wie das Forscherteam rund um den Molekularbiologen und
Direktor des IMBA Josef Penninger feststellen konnte.
Wundelektrizität
Warum
in Wunden überhaupt Elektrizität entsteht, lässt sich physikalisch
erklären: In Gewebeverbänden organisiert wirken Zellen wie kleine
Batterien. Durch die verschiedenen Schichten der Haut baut sich eine
Potenzialdifferenz auf. Wird die Haut beispielsweise durch einen Schnitt
verletzt, entsteht ein Kurzschluss - am Wundrand ist ein elektrisches
Feld messbar.
Zwei Gene sensibel auf Strom
Im
Mausversuch haben die Wissenschaftler zwei Gene identifiziert, die
entscheidend dafür sind, wie Zellen, die zur Wundheilung beitragen, auf
ein elektrisches Feld reagieren.
Die zwei Genprodukte, ein Protein mit dem wenig klingenden Namen PI3K und der Tumorsuppressor PTEN, wirken wie Antagonisten.
Elektrotaxis
Die
elektrische Anziehungskraft wirkt in Zellen auf dem Signalweg, der auch
die Chemotaxis, die Bewegung zu oder von bestimmten chemischen
Substanzen, steuert. Zentrales Element ist dabei PI3K, das bewirkt, dass Zellen sich zu einem elektrischen Feld hinbewegen.
In Experimenten mit Mäusen und in Zellkultur haben die Wissenschaftler das Gen für PI3K ausgeschaltet. Die Zellen reagierten daraufhin nicht mehr auf elektrische Felder und die Wundheilung verlangsamte sich.
Natürlicher Antagonist von PI3K in der Elektrotaxis ist der Tumorsuppressor PTEN, der die Wirkung von PI3K unterdrückt. Schalteten die Forscher PTEN aus, beschleunigte das die Wundheilung.
Damit, so Josef Penninger, sei erstmals bewiesen, dass es Gene gibt, die kontrollieren, wie Elektrizität die Wunden heilt.
Praktische Bedeutung für Wundheilung
Trockene
Wunden heilen schneller. Diese alte Einsicht erhält durch die aktuelle
Forschung eine weitere Erklärung: Trockene Wunden stehen unter einem
Strom, der für die Wundheilung günstig ist.
Die Wissenschaftler konnten aber auch zeigen, dass durch eine aktive Veränderung von Natrium- oder Chlorid-Kanälen das elektrische Potenzial in den verletzten Stellen verändert und so die Wundheilung beschleunigt werden kann.
Außerdem
hofft der Molekularbiologe Penninger, mit dieser Arbeit einen weiteren
Anreiz dafür zu geben, Prinzipien der Alternativmedizin auch klassisch
naturwissenschaftlich zu untersuchen.
ein Bericht von Birgit Dalheimer, Ö1-Wissenschaft, 26.7.06